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Waffenepidemie rafft weiter Kinder dahin

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Hier ist mal wieder ein Vorwort fällig: Dies ist keiner dieser scheinbar unausrottbaren “ja-aber”-Beiträge, die nach jedem Anschlag, jeder Katastrophe, bei der Menschen Leben und Gesundheit verlieren, vor allem im Web 2.0 wie Pilze sprießen: Ja, über die Opfer von [Ort/Unglück nach Wahl und Aktualität einsetzen] schreibt jetzt jeder, aber dass gleichzeitig [Anzahl und Kategorie von "unbeachteten"Opfern einsetzen] an [Verletzungs-, Krankheits- oder Todesursache einsetzen] leiden/sterben, darüber schreibt keiner. Nein, ich schreibe nichts mehr über den Bombenanschlag von Boston und die Ereignisse, die er nach sich zog – aus persönlichen Gründen, lassen wir’s dabei bewenden.

Hier geht es um Hunderte, letztlich Tausende verletzter und toter Kinder – nicht die Opfer eines Amokläufer, oder eines Attentäters, oder eines durchgedrehten Mitschülers. Sondern die Opfer jener Waffenepidemie, die alltäglich sinnlos tötet. Ein Beitrag im aktuellen Journal of the American Medical Association belegt noch einmal, was ich hier schon geschrieben hatte: Viel zu viele Kinder sterben in den USA durch Schusswaffen. Für das Paper hatten die AutorInnen Daten aus zwei Notaufnahmen – genauer gesagt: Traumatologie-Zentren, die sich auf die Behandlung von Unfall- und besonders von Schusswaffenopfern spezialisiert haben – im Großraum Denver (US-Staat Colorado) gesammelt und ausgewertet: Hier wurden zwischen 2000 und 2008 insgesamt 129 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren mit Schusswaffenverletzungen eingeliefert; die Hälfte dieser – in der Mehrzahl (80 Prozent) männlichen – Opfer musste mit Intensivmedizin versorgt werden, für 13 Prozent (17 Kinder und Jugendliche) endeten die Verletzungen tödlich.

Choose-One_Kinder-EggNicht wirklich überraschend, leider. Im Jahr 2011 lag die Todesrate für Schusswaffenopfer im Alter zwischen 4 und 17 Jahren in Colorado bei 2,8 von 100.000, und diese Zahl ist über lange Zeit relativ stabil geblieben. Im landesweiten Vergleich sind Schusswaffen, nach Verkehrsunfällen, die häufigste nicht-natürliche Todesursache für Personen unter 19 Jahren. Grob von den Bevölkerungszahlen hochgerechnet sterben jedes Jahr also mehr als 3200 junge Menschen durch Schusswaffen. Nur mal als Vergleichszahl: Im gleichen Zeitraum ersticken etwa 1250 Kinder und junge Menschen. Doch während gegen den Erstickungstod mit allerlei Verboten und Regelungen angegangen wird (Überraschungseier sind beispielsweise offiziell illegal), gibt es keinerlei ernst zu nehmende Bemühungen, die Schusswaffenrisiken für Kinder zu reduzieren.

Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Selbst wenn man jedes Argument der Schusswaffenrechtler akzeptiert, von der Selbstverteidigung bis zum Recht auf bewaffneten Widerstand gegen die Regierung (auch das ist ein unverholenes “Argument”!) – nicht ein einziger dieser Gründe erklärt, warum diese Gesellschaft den Tod von Tausenden Minderjähriger jährlich hinnehmen muss.

Und hier komme ich doch noch einmal auf die Ereignisse von Boston zurück: Die gleichen Kräfte, die im US-Senat dafür gesorgt haben, dass selbst so ein vom gesunden Menschenverstand diktierter (und von einer überwältigenden Mehrheit der US-Bevölkerung begrüßter) Gesetzes entwurf, der Sicherheitsüberprüfungen für alle Waffenkäufer vorschreibt, bereits im Senat gescheitert ist, wollen nun den Umstand, dass die beiden Bostoner Bombenleger als Kinder – legal! – in die USA eingewandert sind, zum Vorwand nehmen, eine Erleichterung der Einwanderungsbestimmungen zu blockieren oder besser noch: gleich die bestehenden Bestimmungen zu verschärfen. Wenn Tausende jährlich durch Schusswaffen sterben, dann ist ihrer Auffassung nach kein Anlass, über strengere Waffenkontrollen nachzudenken – aber wenn zwei Einwandererkinder kriminell werden und Bomben legen, was vor ihnen auch schon “waschechte” Amerikaner wie Timothy McVeigh oder Eric Rudolph taten, dann ist das ein Grund, Millionen von Einwanderungswilligen zu bestrafen. Komische Logik …

Foto: www.momsdemandaction.org

P.S.: Passend dazu diese Episode von Jon Stewarts Daily Show:

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